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Das Alte gebiert das Neue

Bereits seit Beginn des Schuljahres 2021/2022 befindet sich das zentrale Schulgebäude der Landesschule in der Sanierung. In einem außerordentlich anschaulich gestalteten Text gibt der leitende Architekt und Ehemalige Holger Siegel (al. port. 1984 – 1988) einen Einblick in die Historie des Gebäudekomplexes sowie die Anforderungen und Herausforderungen, die mit der Kernsanierung eines solchen einhergehen. Wir freuen uns, Sie auf diesem Wege an der Bauentwicklung teilhaben lassen zu können. Hier lesen Sie den Artikel einschließlich des ganzen Bildmaterials in hoher Qualität.

 

Vorbemerkungen

Einen Schulbau zu sanieren, ist eine Sache. Ein historisches Gebäude des ausgehenden 19. Jahrhunderts im Kontext einer beinahe 500-jährigen Bildungseinrichtung innerhalb eines seit dem Mittelalter überlieferten und immer wieder veränderten klösterlichen Baugefüges zu sichern und für die nächsten Jahrzehnte zu einem Lebens- und Arbeitsraum für junge Menschen zu machen, ist eine ganz andere. Es reicht nicht, hier und dort einen Balken oder Stein auszuwechseln, alles schön anzustreichen und ansonsten alles beim Alten zu belassen. Der Bau soll funktionieren, die Menschen wollen sich darin wohl und sicher fühlen – und in diesem speziellen Fall soll er ihnen auch noch dabei helfen, einen Schritt weit ihre Träume zu verwirklichen. In den letzten 140 Jahren hat sich viel getan. Unsere Ansprüche und Erwartungen sind heute andere. Die uns umgebenden Technologien haben sich rasant entwickelt. Fragen nach Sicherheit, körperlicher wie geistiger Unversehrtheit, wie sie in der Statik, dem Brand- und Arbeitsschutz und noch vielen anderen Regularien berücksichtigt werden, bewegen sich heute auf einem ganz anderen Niveau als damals. Auch unser soziales und gesellschaftliches Gefüge ist nicht mehr vergleichbar mit jenem der Gründerzeit. Es stellt sich also die Frage, wie Altes und Neues zusammenfinden kann. Überlieferung, Rituale und Traditionen können uns Sicherheit bieten. Neue Ideen bringen uns weiter. Im besten Fall gebiert das Alte das Neue.

 

Ausgangssituation

 

Abb. 1: Klausurgebäude mit dem barocken Vorgängerbau anstelle des heutigen Schulgebäudes, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

In den Jahren 1880 bis 1884 wurde anstelle eines barocken Vorgängerbaus am westlichen Ende des lang gestreckten Klausurgebäudes ein neues Schulgebäude errichtet, bestehend aus einem nördlichen, dem sogenannten Aulagebäude, sowie einem mittleren und einem südlichen Flügelbau. Das dreigeschossige Aulagebäude im neugotischen Stil beherbergt im obersten Geschoss die namensgebende, siebeneinhalb Meter hohe Aula auf einer Fläche von 300 Quadratmetern, die bis zu 400 Menschen Platz bietet. Ihre bleiverglasten Fenster mit differierenden farbigen Motiven werden von säulengestützten Spitzbögen gerahmt. Den gesamten Raum umschließt eine fein gearbeitete Lambris aus Eichenholz. Darüber erstreckt sich eine mehrfach abgesetzte Kassettendecke mit farbiger Ornamentik, die von einem komplexen hölzernen Dachtragwerk darüber gehalten wird. Zwei hohe, zweiflügelige Türen mit drachenförmigen Drückern führen zum südlich gelegenen Flur und sind die am reichsten verzierten im gesamten Schulgebäude. Entlang der Ostwand bietet eine 15 Meter breite Bühne Platz für Aufführungen. Ihr gegenüber wird die nach Westen gerichtete Fensterfront vom neugotischen Prospekt der 1884 durch Friedrich Ladegast eigens für diesen Saal geschaffenen mechanischen Orgel mit 11 Registern dominiert.

 

Abb. 2: Aula um 1910, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

Auf der mittleren Ebene des Aulagebäudes befindet sich das physikalische Cabinet, dessen nördlichste Räumlichkeiten ursprünglich zu einem langen Zeichensaal zusammengefasst waren. Auch hier führen große, zweiflügelige Türen mit breiten Zargen und hoher Sima in die einzelnen Fachräume. Deren große, steinernen Fensterkreuze fassen die einzigen bauzeitlichen Kastenfenster des Schulgebäudes.

 

Abb. 3: Zeichensaal im Aulagebäude um 1910, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

Das Erdgeschoss des Baus nimmt die zuvor in der Klausur untergebrachte Schulbibliothek auf. Ihre Räume überspannen weite Kreuzgewölbe, zwischen deren Säulen lange Reihen hoher Regale aus verziertem Eichenholz aufgestellt sind, bis in die obersten Reihen prall gefüllt mit alten und neuen Einbänden.

Der viergeschossige mittlere Flügel dient sowohl als Verbindungsglied zwischen den einzelnen Baukörpern als auch der Aufnahme von Räumen für den Unterricht und der Sammlungen. Vom Haupteingang gelangt man in eine repräsentative Säulenhalle mit Kreuzgewölbe und Zugang zum Klausurgebäude. 

 

Abb. 4: offene Eingangshalle um 1910, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

Die nördlich angeschlossene große Treppe führt im ersten Obergeschoss in eine weitere gewölbte Halle und weiter hoch in eine dritte Halle mit holzgetäfelter Decke. Von hier gelangt man auch in den kreuzgratgewölbten Flur der Aula mit seiner reichen Ornamentik und seinen bleiverglasten Fenstern. Weiter hinauf gehend erschließt die große Treppe schließlich die oberste Halle mit preußischer Kappendecke, an welche wiederum naturwissenschaftliche Fachräume grenzen. Ursprünglich beherbergte das dritte Obergeschoss des mittleren Flügels den Schlafsaal V, der um 1920 in einen großen Waschsaal umgebaut wurde. Hier sollen restauratorische Untersuchungen Aufschluss über dessen kubistische und mehrfach farbig abgesetzte Deckenbemalung geben, sofern sie noch erhalten ist.

 

Abb. 5: Waschraum im vormaligen Schlafsaal V im Mittelflügel um 1920, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

Der ebenfalls viergeschossige südliche Flügel beherbergt heute, neben weiteren Unterrichtsräumen, das Rektorat und die Schulsternwarte. Ursprünglich war dieser Teil als reines Wohngebäude errichtet worden. Es beherbergte mehrere Wohnungen der Lehrerschaft, unter anderem eine zweigeschossige Rektorenwohnung mit separatem Eingang über eine Brücke von Süden her und im obersten Geschoss den Schlafsaal VI, der später in mehrere Unterrichtsräume aufgeteilt wurde.

 

Abb. 6: Schlafsaal VI im Südflügel um 1900, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

Dieser Flügel verfügt über ein eigenes Treppenhaus und seit seiner Erbauung als einziger über umfangreichere sanitäre Anlagen. Bemerkenswert ist der Turm der Sternwarte, der das Treppenhaus über das Dach hinaus verlängert. Ursprünglich war dieser Turm mit einem spitzen Walmdach, ähnlich einem Kirchturm, gedeckt. 1953 wurde diese Spitze zurückgebaut und die Sternwarte erhielt ihre charakteristische Kuppel über einem neuen Teleskop von Carl Zeiss. 

 

Abb. 7: Alte Sternwarte mit steilem Walmdach um 1906, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

Die mit reicher Bauornamentik ausgebildeten Fassaden des Schulgebäudes wurden in Muschelkalk und Sandstein ausgeführt. Die Giebel des vornehmlich im neogotischen Stil errichteten Aulagebäudes krönen aufwendig gestaltete Filialaufsätze, deren mittlere als Schornsteine dienten. Seine Spitzbogenfenster sind von Säulen und Maßwerk gefasst. Der mittlere und südliche Flügel hingegen sind zurückhaltender gestaltet und durchweg mit Segmentbogenfenstern gegliedert, welche, mit Ausnahme des dritten Obergeschosses, von Rundstäben gefasst sind. Die mit Naturschiefer eingedeckte Dachlandschaft wird durch mehrere, mit Aufsätzen und Blütenstäben verzierte Zwerchhausgiebel gegliedert. Bis auf die im Lauf der Zeit verschwundenen Dachgauben und Schornsteine sowie dem, inzwischen ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Umbau der Sternwarte, ist das ursprüngliche äußere Erscheinungsbild nahezu unverändert geblieben.

 

Abb. 8: Aulagebäude nach der Fertigstellung um 1884, Quelle: Archiv und Bibliothek der Landesschule Pforta

 

 

Sanierungs- und Gestaltungskonzept

 

Bis zum Beginn des Schuljahres 2025 wird das Schulgebäude einer umfassenden baulichen, technischen und energetischen Sanierung unterzogen. Nur die bereits zu einem früheren Zeitpunkt (2014 – 2016) sanierte Bibliothek im Erdgeschoss des Aulagebäudes ist davon ausgenommen und bleibt während der gesamten Bauarbeiten in Funktion. 

Unter Einbeziehung von Denkmalpflege, Restauration und Kunsthandwerk soll die historische Bausubstanz weitestgehend erhalten bleiben und in ihrer historisch überlieferten Anmutung wiederhergestellt werden. Die kunstvoll gestalteten architektonischen Elemente, die Holzvertäfelungen, die aufwendig gearbeiteten Türen und Fenster und die partiell aus breiten Eichendielen bestehenden Holzböden mit ihrem charakteristischen Knarren sollen auch in Zukunft die Atmosphäre dieser Räumlichkeiten ausmachen. Die überlieferte Raumstruktur bleibt in ihren Grundzügen erhalten, nur wenige Räume müssen neu organisiert und teils zusammengelegt werden, um den aktuellen Anforderungen an den Unterricht gerecht zu werden. Aufgrund ihrer hervorragenden baulichen Ausführung befindet sich die Bausubstanz nach knapp 140 Jahren in einem bemerkenswert guten Zustand. Dennoch sind im Laufe der Zeit in den Holzbalkendecken und den Dachstühlen einige schwerwiegende Schäden aufgetreten, die nun behoben werden müssen. Auch die Fassaden haben aufgrund von Luftverschmutzung und natürlicher Erosion durch Wind und Regen maßgeblich an Substanz verloren und bedürfen einer behutsamen Behandlung. Um die Ansprüche an einen modernen und sicheren Lebens- und Arbeitsraum zu berücksichtigen, reicht im Inneren der Gebäude eine rein konservatorische Sanierung nicht aus. Daher wurde in den vergangenen Jahren ein Sanierungs- und Gestaltungskonzept entwickelt, welches einerseits die historisch überlieferten und erhaltenswerten gestalterischen Qualitäten berücksichtigt, andererseits aber auch eine zeitgemäße und qualitativ hochwertige Nutzung ermöglicht. Es wurde daher entschieden, die Hallen, Flure, Treppenhäuser und weitere repräsentativ ausgestaltete Räume, insbesondere die Aula und das physikalische Cabinet, in ihrem historisch überlieferten Erscheinungsbild wiederherzustellen. Die verbleibenden Räume für Unterricht, Sammlungen und die Büros um das Rektorat im mittleren und südlichen Flügelbau werden den aktuellen technischen Anforderungen entsprechend neu organisiert. 

Hier sind auch statische Eingriffe nötig, denn der Südflügel wurde seinerzeit für die Wohnungen der Lehrerschaft errichtet, beherbergt heute jedoch Klassenräume für bis zu 30 SchülerInnen. Daher müssen die überlasteten Holzbalkendecken der Obergeschosse mit raumsparenden Gitterkonstruktionen aus Stahlträgern stabilisiert werden. Diese werden später hinter neuen Unterdecken verborgen, welche auch die Akustik der Räume verbessern sollen. Selbstredend muss auch die aktuell bestehende Haustechnik vollständig erneuert werden. Das vorhandene System wurde seit dem Einbau der ersten Heizungsanlage in den Zwanziger Jahren mehrfach verändert, erweitert, ersetzt und modifiziert. An vielen Stellen hinterließen diese Installationen geschossübergreifende Hohlräume im Mauerwerk und unkontrollierbare Löcher in Decken und Wänden. Viele der Rohre und Kabel sind bereits seit Jahrzehnten ohne Funktion und werden nun vollständig entfernt. In den Fachräumen des dritten Obergeschosses wurden in den Neunziger Jahren Unterdecken eingezogen und Fußböden erhöht, um weitere Installationen wie Wasser, Abwasser, Abluft, Gas und Niederspannung für Experimente unterzubringen, was zur Folge hatte, dass wertvolle Raumhöhe verloren ging und die ohnehin nicht dafür konzipierten Holzbalkendecken noch mehr belastet wurden. 

 

Abb. 9: Freilegung von Decken und Böden in den Chemie-Fachräumen im dritten Obergeschoß, 2022, Quelle: ABML architekten GmbH

 

Alle für den künftigen Betrieb notwendigen Medienleitungen werden nun, soweit möglich im Verborgenen, neu installiert und beim Durchdringen jeder Geschossdecke abgeschottet, um im Brandfall eine Ausbreitung von Rauch und Feuer zu verhindern. Dabei helfen uns die vielen nicht mehr genutzten Schornsteine. Sie versorgen künftig jedes Geschoss unsichtbar mit allem Nötigen. Die bisher im Erdgeschoss befindlichen Räume der Biologie werden nun gemeinsam mit den Fachräumen der Chemie und Mathematik im dritten Obergeschoss untergebracht, da hier aufgrund der Medienversorgung gleiche oder ähnliche Ansprüche zusammengefasst werden können. Sämtliche naturwissenschaftlichen Räume der Biologie, Chemie, Physik und Mathematik erhalten komplett neue Fachraum- und Laborausstattungen. Die im Erdgeschoss freiwerdenden Unterrichtsräume werden künftig den Geistes- und Sozialwissenschaften zugeordnet. 

Einen größeren Eingriff stellt der Einbau eines Personenaufzugs dar, welcher anstelle zweier Nebenräume und eines kaum genutzten Treppenlaufs im Südflügel Platz finden wird. Dafür muss kein Unterrichtsraum weichen und künftig können alle Ebenen des Schulgebäudes barrierefrei und sicher erreicht werden.

Alle Unterrichtsräume im Mittel- und Südflügel erhalten neue, denkmalgerechte Isolierglasfenster aus Eichenholz, welche in Optik und Profilgestaltung nahezu identisch zu den Originalfenstern sind, um ein einfacheres Lüften der Räume zu ermöglichen. Im Bereich der Physik, der Büros der Leitungsebene und in den Sammlungen werden die Bestandsfenster aufgearbeitet und teilweise zu Kastenfenstern erweitert. Alle naturwissenschaftlichen Fachräume erhalten innenliegende Verdunklungsanlagen zur Unterstützung von Experimenten. Um die hohe Wärmebelastung der Räume im dritten Obergeschoss zu reduzieren, werden deren Fenster an Süd- und Westseite zusätzlich mit einem verdeckt angebrachten, ausrollbaren Sonnenschutz versehen und die Decken zum Dachboden ausgedämmt.

Soweit noch vorhanden, werden die historischen Dielen- und Parkettböden aufgearbeitet. Wo dies nicht mehr möglich ist, werden neue Parkettböden aus Eichenholz dem Charakter der historischen Bausubstanz entsprechend eingebaut. Lediglich die Fachräume erhalten aufgrund der für sie geltenden Sicherheitsvorschriften säureresistente Fußböden aus Naturkautschuk.

Im Gebäudeensemble mit der Klausur ist aufgrund seiner kombinierten Schul- und Internatsnutzung ein besonderes Augenmerk auf den Brandschutz zu legen. Daher erhält das gesamte Schulgebäude eine Brandmeldeanlage, um im Gefahrenfall eine schnelle und sichere Evakuierung aller SchülerInnen und LehrerInnen sicherzustellen. Das zweite, bisher meist abgeschlossene, Treppenhaus wird ertüchtigt und dient künftig als zweiter Rettungsweg. Um die offene Raumfolge in Haupttreppenhaus und Hallen zu erhalten, werden in den Durchgängen zu den Treppen verdeckt installierte Rauchschutzvorhänge eingebracht, die im Fall eines Brandes eine Rauchentwicklung wirkungsvoll eindämmen.

Die Holzbalkendecke unter der Aula ist seit längerem für ihre statischen Probleme bekannt, was bereits zu Einschränkungen bei Tanzveranstaltungen führte, da die dabei entstehenden Schwingungen die strukturelle Integrität der Decke gefährdeten, was an mehreren Rissen über den Physikräumen ablesbar ist. Teilweise sind auch die Balkenköpfe geschädigt und müssen zur Reparatur freigelegt werden. Danach erhält die gesamte Decke eine neue aussteifende Oberschalung, um künftig ohne Einschränkungen darauf tanzen zu können. Um den dafür nötigen Arbeitsraum zu schaffen, wird die umlaufende Holzvertäfelung vorsichtig ausgebaut, aufgearbeitet, fehlende Teile ersetzt und schließlich wieder eingebaut. Der zerschlissene, mehrfach aus- und wieder eingebaute Parkettboden wird abgebrochen und erneuert.

 

Abb. 10: Ausbau und Einlagerung der Holzvertäfelung in der Aula, 2022, Quelle: ABML architekten GmbH

 

Doch vor allem die Decken- und Dachkonstruktion über der Aula weist besorgniserregende Schäden auf. Einige Balken und Sparrenfüße wurden vor längerer Zeit vom Hausschwamm befallen und zersetzt, auch andere Fäulen und Schädlinge haben ihre Spuren hinterlassen. Die geschädigten Bereiche dieser Balken werden nun zurückgeschnitten und mit neuem Holz ersetzt. Im Laufe der Zeit hat sich der gesamte Dachstuhl verformt und dabei die steinernen Traufgesimse nach außen geschoben. Hier ist bereits eine komplizierte Choreografie von Zimmerleuten, StahlbauerInnen, MaurerInnen und SteinmetzInnen im Gange, um Dachkonstruktion und Mauerkronen in situ zu reparieren, ohne dabei das gesamte, vor einigen Jahren bereits erneuerte Dach abdecken zu müssen.

 

Abb. 11: geschädigte Balken- und Sparrenköpfe über der Aula, 2022, Quelle: ABML architekten GmbH

 

Die Hallen, Flure und Treppenhäuser des Schulgebäudes wiesen ursprünglich eine reiche Bemalung mit floralen und geometrischen Motiven auf, die im Laufe der Jahrzehnte mehrfach überstrichen wurde. Während der restauratorischen Untersuchungen wurden Teile der Originalfassung freigelegt. Historische Fotografien aus dem Schularchiv lassen Rückschlüsse auf die Gesamtwirkung der Ausgestaltung zu, die nun möglichst exakt in allen Erschließungsräumen wiederhergestellt werden soll. Da aufgrund des schlechten Erhaltungszustands der Bemalung keine flächendeckende Restaurierung möglich sein wird, werden die Ornamente ausgemessen, kartiert und ihre Farbwerte bestimmt, um sie gegen Ende der Sanierungsarbeiten von spezialisierten MalerInnen möglichst exakt nachbilden zu lassen. 

 

Abb. 12: restauratorischer Befund einer schablonierten Blumenranke in einem Gewölbejoch im ersten Obergeschoss, 2019, Quelle: Restauratorenkollegium Blankenburg GbR

 

Eine weitere Herausforderung sind die Fenster im großen Treppenhaus. Ursprünglich waren wohl alle drei Fenster mit einer Bleiverglasung versehen, doch nur das oberste ist heute noch erhalten. Dieses wird restauriert und mit einer zweiten Glasebene thermisch verbessert. Die beiden darunter liegenden Fenster erhalten eine neue Bleiverglasung auf Basis moderner Entwürfe, um die kühlen, nach Norden orientierten Treppenräume neu zu beleben und in ein wärmeres Licht zu tauchen.

 

Abb. 13: Entwurf neuer Bleiverglasungen im Haupttreppenhaus, 2022, Quelle: Inka Schubert

 

Obwohl der an die Eingangshalle anschließende Flur zum Kreuzgang zum Klausurgebäude gehört, wurde er als bisher unsaniertes Bindeglied in die laufenden Arbeiten einbezogen. Der Flur wurde im 16. Jahrhundert entlang der früheren historischen Außenwand des mittelalterlichen Klausurgebäudes errichtet, welche zu den ältesten baulichen Zeugen der Klostergeschichte gehört. Künftig soll diese Wand als archäologisches Fenster einen Teil der Baugeschichte des Klosters erlebbar machen. Daher wurden durch die RestauratorInnen später aufgebrachte Putze entfernt und die ursprünglich romanische Wand freigelegt. Bauzeitliche Öffnungen, darunter drei Biforienfenster, eine Toreinfahrt, mehrere Tür- und Fensterleibungen, sowie noch vorhandene historische Putze und Farbreste werden behutsam gereinigt, die übrigen Flächen und Störungen sparsam mit einem dünnen Putzaufzug beruhigt. Der Flur selbst erhält eine neue Aufenthaltsqualität als ein Ort des Verweilens und der Begegnung. Dafür erhalten die barocken Fensternischen der Südwand bequeme Holzbänke, die Fenster werden erneuert und unter den Bänken verdeckt angeordnete Heizkörper sorgen für eine angenehme, leichte Temperierung. Der nebenan liegende Raum mit Kaffeeautomaten wird künftig diesem Flur zugeordnet, indem das große Fenster zu einem Durchgang umgestaltet wird.

 

Abb. 14: Fotografisches Messbild der Nordwand im Flur zum Kreuzgang, 2022, Quelle: TRIGIS Geoservice GmbH

 

Die Natursteinfassaden werden behutsam gereinigt, um diese von steinschädigenden Moos- und Flechtenbewuchs zu befreien. Die im Laufe der letzten 140 Jahre entstandene Patina soll dabei weitestgehend sichtbar bleiben. Fehlende Teile der Giebelbekrönungen müssen neu angefertigt werden und gerissene, ausgebrochene oder stark verwitterte Steinblöcke, vor allem in den zahlreichen Gesimsen und Fenstergewänden, werden durch passgenaue Vierungstücke ersetzt, um die ursprüngliche Gesamterscheinung wiederherzustellen. Kleinere Schäden, die dem konstruktiven Erhalt der Substanz nicht nachteilig entgegenwirken, so die teilweise verwitterten Kapitelle in den Fensterlaibungen oder die markanten Einschusslöcher aus dem zweiten Weltkrieg an der Südfassade, werden in ihrem Zustand belassen, da auch sie inzwischen zu einem Teil der Geschichte des Gebäudes wurden.

 

Abb. 15: Verwitterte Kapitelle und eine gesprungene Säule am Westgiebel Aulagebäude, 2022, Quelle: ABML architekten GmbH

 

HOLGER SIEGEL
AL. PORT. 1984 – 1988